Besser Führen durch bessere Einsatznachbesprechungen

Feuerwehr EinsatznachbesprechungFoto: fotolia.com / 77SG

Einsatznachbesprechungen sind manchmal kurz und einseitig. Nur die Führungskraft spricht, und eigentlich ist, wie immer, alles gut gelaufen. Auch bei Übungen werden alle Beteiligten für ihr Engagement gelobt und die gute Zusammenarbeit wird betont.

Probleme, die es vielleicht gegeben hat, werden nicht angesprochen, denn alle sind ja freiwillig hier und man will niemanden verärgern. Es entsteht also keine Besprechung, sondern ein Monolog, das kritische Gespräch mit den Helfern wird vermieden.

Noch schwieriger wird es, wenn es mal mit der Einsatzleitung oder der Gruppenführung nicht geklappt hat. Vielleicht wurden Entscheidungen getroffen, die die Mannschaft im einfachsten Fall nicht verstanden oder, im äußersten Fall, sogar ignoriert hat. Wer sagt dem Chef, dass das heute mal nichts gewesen ist? Und wenn sich einer traut, will der Chef das überhaupt hören? Aber müsste er nicht, gerade wenn es um konstruktive Kritik geht, ein Beispiel sein?

Ich meine, dass es Gründe dafür gibt, warum sich manchmal Führungskräfte keiner Kritik stellen möchten. Sie sind in der Führungsausbildung darauf gedrillt worden, immer alles richtig zu machen. Das erwarten die Helfer und sie selbst auch nach der Ausbildung. Kritik, insbesondere öffentlich und vielleicht auch noch von „Untergebenen“, beeinträchtigt dieses Bild.

Eigen- und Fremdwahrnehmung – was ist das eigentlich?

Jeder Mensch hat ein bestimmtes Bild von sich. Der Helfer, der davon überzeugt ist, niemals „vorne rechts“ sitzen zu können, wird auch keinen Gruppenführerlehrgang besuchen wollen. Ein anderer wird vielleicht seit Jahren ohne Kritik als Gruppenführer eingesetzt. Er glaubt deshalb, eine gute Führungskraft zu sein. Die Art, wie man sich selbst sieht, nennt man „Eigenwahrnehmung“.

Nach außen wirkt jeder Mensch durch sein Verhalten in unterschiedlichen Situationen.  Die Wirkung einer Person auf andere wird Fremdwahrnehmung genannt.

Eigen- und Fremdwahrnehmung können voneinander abweichen. Wird die Eigenwahrnehmung nun durch Kritik „erschüttert“, weil man ja eigentlich immer alles richtig macht (wäre man sonst schon viermal als Wehrführer bestätigt worden?), ist das ein Problem, denn Fehler darf man als Chef ja keine machen. Also liegt es nahe, die problembehaftete Gesprächssituation möglichst zu vermeiden oder kurz zu halten

Das kann zum Abbau von Motivation, zu Frustration und zu unausgesprochenen Konflikten führen. Helfer, die verstehen wollen, warum eine Entscheidung getroffen wurde, die sie als negativ empfunden haben, erhalten keine Erklärung. Führungskräfte, die sich nicht klären können, warum nach dem Einsatz alle mies gelaunt sind, empfinden das eigene Verhalten vielleicht als negativ.

Die Wissenschaftler Luft und Ingham haben schon 1955 ein Modell entwickelt, dass die Zusammenhänge zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung aufzeigt und es möglich macht zu verstehen, wie Differenzen zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung abgebaut werden können. Im so genannten JoHari-Fenster existieren Quadranten, die unterschiedliche Schnittmengen zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung darstellen.

Feuerwehr Johari Fenster

Das JoHari Fenster

Dinge, die einer Person selbst und anderen übereinstimmend bekannt sind, definieren die öffentliche Person. Dinge, die der Person bekannt sind, die sie aber vor anderen verbirgt, sind Geheimnisse. Und die Dinge, die andere über die Person wissen, die ihr aber unbekannt sind, bilden den so genannten „blinden Fleck“. Es gibt durchaus Dinge in einer Person, die Einfluss auf das Verhalten haben, ohne dass irgendjemand davon Kenntnis hat. Das ist das Unterbewusstsein.

Man wird am besten verstanden und hat die wenigsten Probleme, eine Situation für sich selbst richtig einzuschätzen, wenn der Quadrant der „öffentliche Person“ möglichst groß ist.

Die Einsatznachbesprechung als Gelegenheit sich zu erklären

Am leichtesten zu beeinflussen ist das Preisgeben von Informationen über sich selbst. Man kann den Helfern, die eine Entscheidung nicht nachvollziehen können, ja einfach sagen, warum man etwas getan hat. Eine kurze Nachbesprechung nur innerhalb der Gruppe, bevor alles auseinander gehen, ist dafür der richtige Ort. Dabei kommt es nicht nur auf die Tatsache an, dass man seine Beweggründe mitteilt, sondern auch auf die Art und Weise, wie man sich erklärt. Dabei gerät man leicht in eine „Rechtfertigungshaltung“, aus der man sich mit Killerphrasen wie „Wir mussten doch“ oder „XY hat gesagt“ zu befreien versucht.

Die Zuhörer verstehen leichter, was die tatsächlichen Beweggründe für eine Entscheidung waren, wenn die Mitteilung darüber, was man wahrgenommen oder gewusst hat, aus der Ich-Perspektive formuliert wird. Eine solche Botschaft kann von Dritten kaum angezweifelt werden und fördert wirkliches Verständnis. Besser ist also:

„Ich habe den Schwerpunkt der Gefahr im 2. Obergeschoss vermutet und daher den Angriffstrupp dorthin befohlen“

anstatt:

„Weil die Gefahr vermutlich im 2. OG am Größten war mussten wir den Angriffstrupp automatisch dort einsetzen.“  

Die Einsatznachbesprechung als Gelegenheit, sein Selbstbild zu prüfen

Um seinen „blinden Fleck“ zu verkleinern, also zu verstehen, wie die Einsatzkräfte die eigenen Handlungen wahrgenommen haben, kann in der Einsatznachbesprechung Feedback erbeten werden. Macht man das „öffentlich“ im Rahmen der Gruppe oder des Zuges, werden unklare Punkte schnell für alle aufgedeckt, Legenden und Gerüchte werden verhindert. Dabei muss natürlich nicht jeder reden, es reicht, wenn diejenigen, die wirklich etwas für sie wichtiges zu sagen haben, sprechen. Um in diesen Situationen Konflikte zur vermeiden sollte man ein paar einfache Regeln einhalten:

Die Führungskraft sollte

  • Feedback erbitten
  • lernbereit zuhören, Rechtfertigungen sind unangebracht
  • aktiv zuhören, Verständnisfragen sind erlaubt
  • sich bei den Feedbackgebern bedanken

Der Feedbackgeber sollte

  • Feedback nur dann geben, wenn es erwünscht ist
  • nur die eigene Wahrnehmung beschreiben, keine Spekulationen
  • Situationen aus der eigenen Perspektive beschrieben (Ich-Botschaften)
  • konkret bleiben und nicht verallgemeinern
  • auch Positives rückmelden
  • den Feedbacknehmer direkt ansprechen

Wenn man es richtig macht, kann das strukturierte Gespräch nach dem Einsatz und der Übung also etwas positives sein, ein Gewinn für alle Beteiligten. Wenn es falsch gemacht wird, nur, um sich selbst zu loben oder jemanden bloß zu stellen, dann sollte man es auch weiterhin lieber lassen.

Über den Autor

Matthias OttMatthias Ott ist  Inhaber von MO Training & Beratung, einem kleinen Unternehmen mit Schwerpunkt Ausrüstung und Training zum Thema Führungsunterstützung. Er ist Zugführer in einer Katastrophenschutzeinheit im hessischen Rheingau-Taunus-Kreis und verfügt über Ausbildungen im Bereich Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz. Sein besonderes Interesse gilt allen Themen rund um die Führunsglehre.

 

6 Kommentare zu Besser Führen durch bessere Einsatznachbesprechungen

  1. Ein starker Bericht! Das Thema kann man noch sehr weit ausführen, trifft es aber bereits sehr gut! Und schon hier habe ich einen Fehler gemacht, den man beim “Feedback geben” nicht machen sollte. Das Wort ‘aber’ – denn damit wirft man das vorher gegebene Lob wieder um.
    Wichtig ist, wie beschrieben, das in der ICH Perspektive erzählt wird. Auch sind Diskussionen unsinnig, denn es wird der IST Stand wiedergegeben. Sicherlich kann man jede Übung bis ins kleinste Detail ausdiskutieren, wenn aber ein Fehler passiert ist und argumentiert wird mit “ja das war ja nur eine Übung”, dann ist das falsch. Denn in diesem Moment war genau das die Situartion – ob es nun “nur” eine Übung war ist Nebensache.
    Matthias Ott möchte ich an dieser Stelle dazu animieren noch einen Beitrag über Metakommunikation (Der Kommunikation über Kommunikation) zu schreiben. Ebenfalls sehr spannend und ebenfalls wichtig für die Einsatznachbesprechung.

  2. Hallo Philipp,

    vielen Dank für dein Feedback 😉

    Der Vorschlag, das Thema Metakommunikation weiter zu vertiefen ist bereits in Teilen umgesetzt – wenn alles gut geht, kommt dazu im Sommer ein kleines Buch bei ecomed heraus, in der gleichen Reihe in der Florian auch “Internet Marsch” veröffentlichen konnte. Metakommunikation, Kommunikationsstörungen und auch Motivation sollen darin genau so Thema sein wie die generellen Aspekte der Einsatzorganisation, die ja letztlich auch alle mit Kommunikation zu tun haben – und manchmal besonders geeignet sind, Kommunikationsstörungen erst entstehen zu lassen.

    Vielleicht gibt es bis dahin ja auch noch die ein oder andere Gelegenheit hier etwas dazu zu schreiben und gerne auch zu diskutieren. Kennt Ihr zum Beispiel das TINA-Prinzip 😉 ? Und wenn ja, wie oft wart Ihr damit schon in der Praxis konfrontiert?

    Grüße aus dem gerade sonnigen Taunus,

    Matthias

  3. Hallo Matthias!

    Ich habe mit Interesse deinen Artikel gelesen. Dieser ist wirklich gut geschrieben. Erst vor wenigen Wochen habe ich bedingt durch mein Studium eine Veranstaltung besucht, bei der es speziell um Führungskompetenzen geht. Natürlich war das aus unternehmerischer Sicht gestaltet. Dennoch hatte ich dabei immer wieder Assoziationen zur Feuerwehr gesucht und auch gefunden. Diesbezüglich wollte ich auch was geschrieben haben. Aber du kamst mir schon zuvor. Das erspart mir natürlich einiges an Arbeit. Dabei fand ich es auch spannend, das ganze mal auf mich zu reflektieren. Und siehe da, es gibt noch einiges zu tun. Aber das erkennt man auch nurm wenn man ehrlich zu sich selbst ist.
    Wichtig ist meiner Meinung, dass offene Kommunikation auch gelebt werden muss. Im Zeitalter des Internets ist es für jeden Feuerwehrangehörigen leicht möglich, sich in seiner Freizeit über alles zu informieren, was ihn interessiert. Wenn man als Führungskraft offen ist für neue Informationen/Ideen, zeigt das auch ein gewisses Maß an Wertschätzung gegenüber seiner Mannschaft.
    Das soll jetzt nicht heißen, dass wir an einer Einsatzstelle erst einmal das Feuer versuchen auszudiskutieren. Gemeint ist viel mehr, dass bei Ausbildungsdiensten/Übungen/Nachbesprechungen konstruktive Kritik geäußert werden darf um dadurch eventuell Verbesserungen herbei zu führen. Der Kritisierende sollte nicht benachteiligt werden, nur weil er kronstruktiv Kritik geübt hat. Das wiederum erfordert soziale Kompetenz vom Kritisierten. Was hier auch ein interesanntes Thema sein könnte, sind die unterschiedlichen Führungsstile. Bei der Feuerwehr gibt es keinen optimalen Führungsstil. Es ist immer wieder abhänging von Funktion und Situation. Sei es als ersteintreffender Gruppenführer, der die Lage richtig einzuschätzen hat und entsprechend taktische Befehle zu geben hat. Dass der Führungsstil hier eher autoritär zu sein hat versteht sich von selbst. Bei einer Besprechung der Einsatzabschnitzleiter und dem Einsatzleiter sind hingegen eher kooperativ-delegative Führungsstile angebracht. Hierzu kann ich euch ein Buch von Rolf Wunderer empfehlen. Es heißt: “Führung und Zusammenarbeit. Eine unternehmerische Führungslehre”. Hier beschreibt er sehr ausführlich die unterschiedlichen Führungsstile, deren Vor- und Nachteile, sowie deren Anwendung in der Praxis. Ganz spannend, wenn man sich für Führungslehre interessiert. Wer sich allgemein für die Komplexität der Kommunikation interessiert und sich manchmal wundert, warum die Leute nicht so reagieren wie erhofft, der sollte sich mal Gedanken machen über die verschiedenen Seiten einer Nachricht. Hierzu hat Friedemann Schulz von Thun ein sehr interessentes Buch geschrieben, in welchem er sehr anschaulich an Beispielen das “Sender-Empfänger-Modell” beschreibt. Das Buch heißt schlicht: “Miteinander reden”. Und wer sich von euch schon mal Gedanken gemacht hat, wie er bei einer Diskussion besser abschneiden könnte, sollte sich “Das Harvard-Konzept. Der Klassiker der Verhandlungstechnik” anschaffen und verinnerlichen. Roger Fisher u.a. zeigen die größten Probleme bei Verhandlungen auf und geben dazu sehr interessante Lösungsansätze.

    Ich bin jetzt ein wenig vom eigentlichen Thema abgewichen. Eigentlich wollte ich dir nur ein Lob aussprechen, wie du das JoHari Fenster und die Feedback-Regeln angesprochen hast. Ich sehe das auch so, dass Selbstreflektion ein wichtiges Thema ist.

    Beste Grüße
    Florian

  4. @Florian: TOP Kommentar!!!
    @Florian Fastner: als Verbesserung für Feuerwehrleben.de: wie wärs mit einem Plugin für WordPress, welches den Nutzern die Möglichkeit gibt, Kommentare zu “liken” (z.B. “Like Dislike Counter”)?

  5. Hallo Florian,

    vielen Dank für deine Ausführliche Rückmeldung.

    Ich glaube, dass alleine schon die Diskussion um das plakativ dargestellte “totdiskutierens” des Feuers ein Totschlagargument ist. Es geht ja nicht zwingend um den Einsatz während er läuft, sondern um das Hinterher bzw. Vorher (denn nach dem Einsatz ist ja vor dem Nächsten). Hier kann man schon viele Weichen stellen, meine Ich.

    Im Einsatz kann muss man den Führungsstil natürlich der Situation anpassen – wenn Zeit, Ressourcen oder eben Informationen knapp sind, dann muss man sicherlich auch mal etwas direkter führen. Aber auch da gibt es Abstufungen: Ein Extrem ist der Einsatzleiter, der von ganz vorne führt und eigentlich alle Entscheidungen selbst trifft (und wenn er Glück hat auch die Übersicht behält). Dass kann dann schon wieder die Fahrzeugführer frustrieren, denn eigentlich wissen sie ja schon, was sie machen müssen. Besser wäre vielleicht ab und an mal mit Auftrag zu führen, eine ordentliche Stab-Linien-Organisation zu etablieren und den Führungskräften auch mal gewissen Entscheidungsfreiheiten zu lassen. Autoritär führen heißt nicht, alles bis auf die letzte Ebene selbst zu bestimmen. Das überlastet den “Chef” auch irgendwann mal.

    Aber hier schweifen wir ab – das Thema ist wichtig und sehr vielschichtig. Da ergeben sich bestimmt noch einige Diskussionsansätze.

    Gruß,
    Matthias

  6. Hallo,

    das hier bereits im Kommentar erwähnte Buch zum Thema (u.a ausführlicher zum Thema Feedback, Eigen- und Fremdbild, aber auch zum weitern Themen wie Kommunikation, Führungspersönlichkeit, Abstellen von Organisationsdefiziten usw.) wird Ende November, Anfang Dezember erscheinen. Am besten jetzt schon vorbestellen 😉 :

    http://www.amazon.de/Effizient-f%C3%BChren-motivieren-Mitglieder-Feuerwehr/dp/3609611421/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1379663382&sr=8-1&keywords=9783609611426

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