Vent Enter Search (VES) – Effiziente US Taktik oder Harakiri?

Foto: istockphoto / davelogan

Heute möchte ich eine Taktik aus den USA vorstellen, die sich Vent Enter Search nennt. Mir geht es jetzt nicht darum, dieses Vorgehen auch auf das deutsche Feuerwehrwesen zu übertragen sondern lediglich eine bestimmte Taktik aus dem Ausland vorzustellen. Es soll Euch helfen andere Systeme besser zu verstehen und unter Umständen auch Ansatzpunkte geben, die man bei sich selbst verbessern kann.

Vent Enter Search ist ein Vorgehen, bei dem unter hohem Risiko nach Personen in brennenden Gebäuden gesucht wird. Bevor wir uns aber diese Taktik genauer anschauen, möchte ich kurz auf ein paar Rahmenbedingungen im US Feuerwehrwesen eingehen. Dies ist wichtig, um das Vorgehen besser einschätzen zu können. Schaut man sich Hausbrände in den USA an, so stellt man schnell fest, dass diese meist intensiver und schneller sind, als hier in Deutschland. Grund ist die Bauweise der Wohnhäuser, die oftmals, selbst bei mehrstöckigen Häusern, aus Holz besteht. Darüber hinaus wird in den USA oftmals mit weniger Personal gearbeitet als hier in Deutschland. Die Besatzung auf einem Löschfahrzeug sind teilweise nur vier Mann und die Einheiten werden bei einem Einsatz aus mehreren Miniwachen zusammen gewürfelt. Somit kann es sein, dass man zu einem massiven Gebäudebrand mit Menschen in Gefahr kommt und erst Mal mit vier Leuten auskommen muss. Hinzu kommt, dass jährlich knapp 3.100 Brandtote in den USA zu beklagen sind, ein großer Anteil davon in Privatwohnungen.

Der Grundsatz von Vent Enter Search (VES) ist nun, dass mit den vier Einsatzkräften möglichst effizient die Personensuche durchgeführt wird. Aus diesem Grund wird die Mannschaft in zwei Trupps geteilt. Ein Trupp geht mit einem Strahlrohr über die Wohnungseingangstür zur Personensuche und Brandbekämpfung vor, der zweite Trupp wendet die VES Taktik an.

Vent (Ventilation)

Der Trupp schaut sich das Gebäude an, und legt fest welches Zimmer von außen durchsucht werden soll. Grundsätzlich wird das Zimmer gewählt, mit der höchsten Wahrscheinlichkeit von überlegenden Personen und der stärksten Gefährdung. In der Regel also das Zimmer, das ein Schlafzimmer ist und die intensivste Rauchentwicklung hat. Da die Schlafzimmer in den USA häufig im 1. Obergeschoß sind, geht man über tragbare Leitern vor. Nun wird entweder mit der Leiter selbst oder einem Art Einreißhaken (Hook) das Fenster eingeschlagen. Womit der erste Part von VES abgeschlossen ist, denn mit dem Einschlagen des Fensters möchte man die Belüftung (= Vent) des Zimmers verbessern.

Enter (Eindringen)

Als nächstes geht der Trupp in das Zimmer vor. Da aus Sich der VES Befürworter der Faktor Zeit extrem wichtig ist, wird auf ein Strahlrohr verzichtet. Beide Firefighter gehen auf die Leiter und einer dringt durch das eingeschlagene Fenster in das Zimmer ein. Der zweite Mann bleibt direkt vor dem Fenster und dient als Kontakt- / Unterstützungsperson für den suchenden Feuerwehrler. Dieser geht im Zimmer zuerst Richtung Tür, checkt kurz die Bedingungen vor der Zimmertür und schließt diese. Somit reduziert er die Gefahr vor Rauchgase und Flammen für sich und das mögliche Opfer.

Search (Personensuche)

Als letzter Schritt wird der Raum nach Personen abgesucht. Wird jemand gefunden wird dieser über die tragbare Leiter gerettet, ist die Suche erfolglos, verlässt der Firefighter den Raum wieder übers Fenster und der Trupp geht von außen zum nächsten Fenster um wieder die Vent Enter Search Taktik durchzuführen.

Durch dieses Vorgehen möchte man massiv Zeit sparen, denn anstatt über des Ergdeschoss an den Flammen vorbei ins erste Obergeschoss vozudringen, wählt man den direkten Weg von außen übers Fenster.

Auf Deutschland anwendbar?

Wenn man das so liest, ist das alles nach deutschen Maßstäben erst Mal nicht vorstellbar. Zu viert auf dem Fahrzeug? Ins brennenden Gebäude ohne Wasser am Rohr? Innenangriff ohne Sicherheitstrupp? Trotzdem gibt es den einen oder anderen Ansatzpunkt den ich gut finde und den man auch bei uns durchführen kann. Ob ich jetzt vier Einsatzkräfte, ne Staffel oder einen Löschzug im Erstschlag habe, Schwerpunkt der Maßnahmen sollte bei Feuer mit Menschenleben in Gefahr die Personensuche bzw. ein kombinierter Angriff sein. Gegebenenfalls reicht es hier aus, dass Feuer nur Niederzuschlagen bzw. in Schach zu halten um schnellstmöglich die Personenrettung einzuleiten. Oft sind wir nämlich vom Feuer so beeindruckt, dass man sich erst Mal aufs Löschen konzentriert. Ein zweiter Punkt ist der alternative Angriffsweg. Häufig kann man bei kleineren Objekten sehen, dass alle Trupps durch denselben Zugang ins Gebäude vorgehen. Hier kann es unter Umständen Sinn machen, einen zweiten Angriffsweg zu weählen. Wichtig ist hier natürlich eine enge Kommunikation der vorgehenden Trupps, vor allem was den Einsatz des Lüfters und der Strahlrohre angeht. Letztendlich ist es auch wichtig die Prioritäten bei der Personensuche richtig zu setzen. Wurde der Wohnungsbesitzer und Nachbarn gefragt ob und wo sich Bewohner aufhalten können? Zudem sollte auch kritisch überlegt werden ob eine Suche in bestimmten Bereichen überhaupt noch von Erfolg gekrönt ist. Wenn eine Person gesehen wurde und jetzt das Zimmer im Vollbrand steht, so braucht man jetzt die Suchbemühungen nicht mehr auf dieses Zimmer zu konzentrierten, sondern lieber Bereiche mit einer realistischen Überlebenswahrscheinlichkeit absuchen.

Aus meiner Sicht ist Vent Enter Search, unter den Voraussetzungen die in den USA herrschen, eine legitime Einsatzoption. Auf Deutschland ist sie so nicht anwendbar, da wir erfreulicherweise andere Voraussetzungen haben und das Risiko nicht vertretbar ist. Wie seht Ihr aber das Ganze aus Sicht der USA? Sollte man das Vorgehen so machen?

VES Video

9 Kommentare zu Vent Enter Search (VES) – Effiziente US Taktik oder Harakiri?

  1. Sehr interessant und warum soll man nicht auch mal über den großen Teich schauen. Was ist denn wenn tagsüber das LF nur 5-6 Mann besetzt ist und die Verstärkung aus dem nächsten Einsatzbereiten Ort 10 – 15 Minuten braucht. Glücklich wenn dann noch 4 AGT da sind soll ich dann wirklich 2 vor der Tür stehen lassen. Das gibt es heute schon in vielen Orten und das wird es immer öfter geben.

  2. Ist doch gar nicht so schlecht. Ich würde so ein vorgehen gerne mal ausprobieren. Allerdings brennt es kaum in den ausmaßen das sich so ein vorgehen lohnen würde. Dafür notwendig wäre auch volles vertrauen des GF an seinen Trupp und einen Trupp der sich das zutraut bzw. ein Trupp der sich untereinander sicher ist.

    Ich kann mir nur nicht vorstellen das so eine Taktik hier in Deutschland umsetzbar ist.
    Allein die Deutschen Sicherheitsstandards würde so eine Taktik nicht zulassen (Sicherungstrupp und Wasser am Rohr). Ich kenne nur wenige GF die so eine Entscheidung treffen werden und mit den paar die ich kenne Arbeite ich leider nicht mehr zusammen.

  3. Mal was neues. Ich persönlich finde es schon mal sehr gut, wie das Video eine Lehrmeinung wiedergibt. Ich würde mir das auch mal von deutschen Feuerwehren wünschen.
    Zum Thema selbst, ich finde es gefährlich, dass der Truppmann da alleine sich im Raum befindet ohne irgendeine Sicherung. Zudem wäre es bestimmt Sinnvoll, wenn selbiger eine Wärmebildkamera dabei hat.

  4. hallo erstmal,
    also das ist auf jeden Fall eine sehr interessante Technik.
    Alternative Einstiegswege sind sinnvoll jedoch weiß ich nicht ob es sinnvoll ist jedes mal wieder aus dem Fenster heraus zu gehen. Warum nicht direkt drin bleiben? Sofern es möglich ist. Das Wärmebildkameras immer zur Personensuche einzusetzen sind ist ja eigentlich sowieso ein muss.
    Desweiteren ist es ja auf Grund deutscher Einsatzstärke sehr sinnvoll das ein zweiter Trupp Zeitgleich im EG zB. das Treppenhaus also einen leichteren Rettungsweg als eine Steckleiter etc. frei von Feuer bzw Rauch macht.
    Auch ist es sinnvoll von 2 Seiten zu löschen mir ist es schon passiert das zwei Trupps nebeneinander hockten und das gleiche Feuer vom selben Punkt aus löschten.
    Mein Fazit:
    Daumen hoch es ist mit einigen wenigen Abwandlungen auch auf deutsche Verhältnisse sehr gut anzuwenden.

  5. Also ich finde die Taktik gar nicht schlecht. Ich weiß auch nicht, ob das hier wirklich sooo gefährlich ist, wenn man die im Video erwähnten Entscheidungsgrundsätze beachtet. Ich mein das gefährlichste am Feuer ist ja wohl der Rauch (siehe u.a. Pulm), deswegen sollte man keine Zeit verlieren, in den ersten Stock zu kommen, um dort nach Bewohnern zu suchen. Wenn es wirklich so groß brennt, dass wir nicht mehr ohne Wasser reingehen können, dann sind die Überlebenschancen für eventuelle Personen auch nicht mehr sehr groß. Selbst wenn man niemanden findet, kann man ja wenigstens die Türe schließen, dass das Zimmer nicht weiter verraucht wird. Ich denke wir haben in Deutschland sogar noch einen Vorteil gegenüber den Amis, denn mit der massiveren Bauweise ist die compartmentalization auch besser.
    Mal ehrlich, was soll denn groß passieren, wenn man in ein Schlafzimmer einsteigt und dann als erstes die Tür zu macht? Wenns in dem Zimmer nicht brennt, braucht man auch erstmal kein Wasser . . .

  6. Hi!

    VES ist nur eine von mehrere taktischen Varianten – auch in den USA werden zur Rettung die Treppen benutzt.

    Was man auch sehen muss: VES ist in den USA um ein vielfaches gefährlicher wie bei uns. Die Decken sind aus Holz, und wenn man über dem Feuer arbeitet ist die Gefahr einer Durchzündung enorm. Daher sieht man auch regelmäßig “Bailouts” bei solchen Aktionen.

    Wenn man das leicht modifiziert, ist das kein Problem, auch im Gefüge der dt. FwDV. Man muss eben nur im Einsatzbefehl unter “Weg” eine Leiter der Feuerwehr angeben. Ferner ist Leinensicherung angesagt. VES hat auch in D bei blockierten Treppenraum eine Top-Priorität. (Wir machen das ja auch schon oft, nennen das nur nicht so).

    Sorgen bereiten mir da eher Ausbildungsstand und Kommunikation/Absprache….

  7. Also ich finde die Sache “Vent Enter Search” eine gute Sache und ich meine das sie auch in Deutschland, in abgewandelter Form, angewendet werden sollte. Menschen leben geht vor löschen. Oftmals passiert es andersrum.

    Was noch dazu kommt das viele Dorffeuerwehren heutzutage während der Arbeitszeit auch nur 4-6 Personen zum Einsatz kommen oder sogar noch weniger und dort wäre so eine Taktik zu Menschenrettung angebracht. Bei uns und noch bei vielen anderen kommt dazu, dass wir kein wasserführendes Fahrzeug haben. Wir müssten erst eine Wasserversorgung herstellen und dann wäre es vielleicht für die Person zu spät.

    Unter diesen beiden Probleme, fehlendes Personal und fehlendes Wasser , könnte ich mir vorstellen die VES anzuwenden.

  8. Ich finde auch, das eine sehr interesante Taktik ist.
    Was mich noch mehr beeindruckt ist das Werkzeug was verwendet wird und mich welch eine Sinn. Das sind echt noch ein Stück hinterher.

  9. Sicher können aus der Taktik VES einige Punkte adaptiert werden. Den Punkt “Verlassen des Raumes über den Zugangsweg” halte ich sogar für sinnvoll: Die Gefahr des Verirrens ist sehr gering, eine Suche ist für einen Rettungstrupp im Mayday-Fall auf einen Raum begrenzt. Die Leiter nur bis zur Fensterbrett-Höhe anzulegen, hat Vorteile bei der Evakuierung der vermissten Person und bei sehr schmalen Fenstern. Dem steht allerdings die Anforderiung unserer UVV entgegen, die den Anstellwinkel auf 65 – 75 Grad festlegen. Überlegenswert wäre, die Eigensicherung mit Wasser am Rohr durch ein über die Leiter vom zweiten Mann vorgehaltenes C-Hohlstrahlrohr (vielleicht an 20 m D-Schlauch oder C42?) vorzunehmen.

1 Trackbacks & Pingbacks

  1. Feuerwehrleute in Nevada retten bewußtlose Frau über tragbare Leiter [Video] | feuerwehrleben.de

Schreibe einen Kommentar zu Jan Antworten abbrechen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*