Muss man Feuer löschen lernen?

Wenn die Feuerwehr eins kann, dann ist es doch löschen?! So sollte es zumindest sein. Aber zwischen Feuer ausbekommen und richtig Löschen gibts einen himmelweiten Unterschied.

Pflichtlektüre für jeden Feuerwehrmann

Tja früher wars noch einfach. Was hat man da übers löschen gelernt? Lektion 1: Es gibt ein CM-Strahlrohr, im Nahangriff wird auf Sprühstrahl umgestellt und  wenn am Abstand braucht auf Vollstrahl. Lektion 2: Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Mit dem Wissen ausgestattet bekämpfte man als Neuling auch die ersten Feuer. Großbrand im Dachstuhl? Atemschutz auf ziehen Strahlrohr beim reingehen öffnen, nach zwanzig Minuten mit wenig Luft wieder raus, Strahlrohr zu und 2.000 Liter Wasser verballert. Irgendwann war das Feuer aus und wir alle Helden, denn das Feuer war bekämpft.

Madrid und Das Buch

brand-madrid

Zimmerbrand in Madrid

Anfang 2002 hatte ich dann ein Schlüsselerlebnis. An Silvester in Madrid konnte ich einen Zimmerbrand beobachten. Und es war interessant zu sehen, dass das große Ungeheuer Feuer ja gar nicht so schlimm ist. Das Zimmer stand zwar in Flammen, aber die Ausbreitung hielt sich auch nach einigen Minuten immer noch stark in Grenzen. Zum ersten mal konnte ich als Außenstehender über zwanzig Minuten beobachtet wie sich ein Feuer ausbreitet (bzw. eben nicht) und wie schnell es bekämpft wurde.

Dann bekam ich das Buch von Dr. Markus Pulm “Falsche Taktik – Große Schäden” in die Hände. Aus meiner Sicht eines der besten “Aha-Effekt” Bücher die es in Deutschland gibt. Der schreibt nämlich, dass unsere Aufgabe ist, nicht ist das Feuer zu bekämpfen sondern den Schaden so gering wie möglich zu halten. Da kam ich dann ins grübeln, denn bisher sah ich es als oberste Aufgabe mit allen Mitteln sofort das Feuer zu bekämpfen.

YouTube zeigt wie es geht, oder auch nicht

Als nächstes kam dann YouTube. Hier kann man sehr schöne Beispiele sehen wie man Feuer löschen kann, oder eben nicht. Einfach mal nach Begriffen wie “Dachstuhlbrand”, “Feuer” oder “Firefighter” suchen.

In dem Video aus den USA sieht man sehr schön wie gezielt gelöscht wird.

00:20 Strahlrohr auf
00:35 Strahlrohr zu
00:42 Strahlrohr auf
00:48 Strahlrohr zu

Der Feuerwehrmann hat es geschafft mit 21 Sekunden Wasserabgabe das Feuer an dieser Stelle unter Kontrolle zu halten. Vor 15 Jahren in Deutschland hätte man hier einen Trupp mit C-Strahlrohr postiert der 15 Minuten und länger mit Vollstrahl in den Rauch geleuchtet hätte. Fazit: An der Lage hätte sich nicht viel mehr geändert aber dafür wäre 1.400 Liter mehr im Haus gewesen.

Bei diesem Dachstuhlbrand sieht man auf dem Bild vier Strahlrohre, der Löscheffekte dürfte sich aber stark in Grenzen halten und die darunterliegenden Wohnungsinhaber werden ihre Freude haben wenn pro Minute eine halbe Tonne Wasser aufs Haus gekippt wird.

Der Vortrag und die heißen Ohren

Feuerwehr beim Dachstuhlbrand

Feuerwehr beim Dachstuhlbrand

Ein weiteren Aha Effekt bekam ich letztes Jahr bei einm Vortrag von Ingo Stöhr von Feurex. In knapp 1 einer Stunde zeigt er mit vielen Bildern und Videos wie man falsch löscht. Ein Durchgang im Brandcontainer lässt dann auch noch mal sehr eindrucksvoll am eigenen Körper erfahren was passiert wenn man das Strahlrohr nicht rechtzeitig schließt. Die Wasserdampfwalze zwingt einen auf den Boden und zum Ausgang.

Seit diesen Erlebnissen ist bei mir die wichtigste Stellung des Strahlrohrs “aus”. Mal abgesehen von Rauchgaskühlung und Temperatur-Check öffne ich nur noch das Hohlstrahlrohr wenn ich Flammen sehe. Und wenn ich beobachte wie beim offenen Dachstuhlbrand mit Wasserwerfern und B-Strahlrohre sämtliche Etagen des Gebäudes unter Wasser gesetzt werden und danach die Feuerwehrler stolz sind, dass das Feuer aus ist, ja spätestens dann sollte man als Feuerwehr-Führungskraft überlegen das Thema “richtig Löschen” zum Ausbildungsthema zu machen.

Wie schauts bei Euch aus? Werden in Eurer Feuerwehr solche Themen gelehrt oder löscht jeder so wie er möchte?

4 Kommentare zu Muss man Feuer löschen lernen?

  1. Hi Flo,

    ja das Thema ist durchwegs sehr komplex. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass sich in den letzten 15 Jahren die Ausrüstung in Sachen Innenangriff sehr schnell weiterentwickelt hat. Ich kenne noch Zeiten in dem die Atemschutzgeräteträger in 2mm olivgrünen Schutzanzügen aus Baumwolle loszogen. Gott sei Dank ist das heute nicht mehr so, damals war das aber Stand der Technik. Die Entwicklungen in der Technik impliziert jedoch auch die Weiterentwicklung der Taktik bei einem Brand und auch eine andere und auch intensivere Ausbildung der Feuerwehrdienstleistenden.

    Mit der damaligen Schutzkleidung hätte es dir auch gereicht 15 Minuten in den Eingang hineinzuspritzen, es war damals aber durchaus ausreichend effektiv. Mit der heute sehr guten Schutzkleidung merkt man schon fast nicht mehr die Hitzestrahlung usw. Dies ermöglicht natürlich auch ein viel gezielteres Vorgehen und effizienteres Löschen. Somit ist ein Wohnungs- oder Zimmerbrand sehr gut händelbar geworden.

    Ich denke jeder der schon mal einen Durchgang in einer Feststoffbefeuerten Übungsanlage erlebt hat weiß, dass so ein Vorgehen mit der Ausrüstung vor 15 Jahren nicht möglich war. Deshalb ist es meiner Meinung nach sehr wichtig so eine Ausbildung bereits in der Ausbildung der Atemschutzgeräteträger zu implementieren. Dynamische Strahlrohrführung sollte auch einem nicht AGT’ler kein Fremdwort sein.

    Die Bekannten der Szene (Stöhr und CO.) leisten hier auch sehr viel Lobbyarbeit um hier die Denkweisen zu revolutionieren. Dies gelingt aber leider nur bei den Führungskräften die sich für so etwas Interessieren und zum Umdenken bereit sind. Der leidige Rest wird nicht zu bekehren sein und wird mit der Zeit aus den Feuerwehren „herauswachsen“.

    Viele Grüße
    Daniel

  2. Jeder löscht so wie er möchte. Wobei bei den Führungskräften der Wasserschaden durchaus ein wichtiges Thema ist.
    Leider wissen die Führungskräfte selbst nicht so richtig wie man Wasserschäden vermeidet und können es daher auch nicht vermitteln.

    So kann der Hausbesitzer Glück oder Pech haben. Mal sieht man nicht mehr Wasser auf dem Boden als beim Wischen – mal brennt es noch, aber der Keller steht schon Knöcheltief unter Wasser.

    Da die jungen Feuerwehrmänner fast alle in den Brandcontainer gehen und zumeist die Angriffstrupps stellen, setzt sich langsam die Erkenntnis durch das weniger Wasser doch besser ist. Unter den älteren gibt es dagegen einige Unbelehrbare.

    Was noch gänzlich fehlt ist die Bereitschaft andere Weg zu gehen, wie in “Falsche Taktik – Große Schäden” vorgeschlagen. So sind zum Beispiel nur wenige Feuerwehrmänner bereit vor der Tür zu warten bis das Feuer von aussen gelöscht wird.

  3. Tja, jetzt werde ich mal ein unpopuläres Posting abgeben:

    Wasserschaden hin oder her, aber das Wichtigste ist: Das Feuer muss ausgemacht werden, und zwar zügig. Was aber muss ich in der Realität sehen: Gerade die Jungen Kameraden bekommen das Feuer nicht aus.
    Zur ursprünglichen Fragestellung: “Muss man Feuer löschen lernen?” Ja, und zwar ganz dringend, denn was sehen unsere jungen Kameraden in ihrer Ausbildung: Gasbefeuerte Übungsanlagen und Feststoffcontainer. Was lernen sie da? Wie man Rauchgase kühlt und Flashover bekämpft. ABER: Was wird dort nicht gelehrt? Das Feuer auszumachen. Irgendwann ist der Punkt beim Zimmerbrand gekommen, wo die Flashovergefahr weg ist, die Fenster offen sind, und das Feuer(chen) immer noch brennt. Und jetzt beginnen die Probleme: Da wird ins Feuer getaktet bis allen ganz schwindlig wird. Aber es brennt weiter und weiter. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Und wenn ich 100l Wasser zu viel gebraucht habe, aber das Feuer zügig aus ist, ist das in meinen Augen besser, als mit der minimalsten Menge Wasser stundenlang rumzuspielen. Ich muss eine Gefährdungsanalyse machen: Wasserschaden vs. unnötig langes Verweilen in einer heissen Umgebung und aller Gefahren einer Brandstelle.

    Folgende Situation durfte ich selbst erleben:
    Mehrere brennende Kunststoffcontainer in Vollbrand, 1600l Wasser im Tank, Hydrant gleich um die Ecke. Und mein junger Kamerad bekommt das Feuer nicht aus. Warum? Weil er mit dem Sprühstrahl immer wieder ins Feuer taktet. Irgendwann hab ich ihm das Strahlrohr aus der Hand genommen und mal auf Vollstrahl umgstellt, und einfach mal ins Brandgut reingeschossen. Und siehe da: Das Feuer war dann aus.

    Was hat mir dieses Erlebnis gezeigt:
    Wir lernen bis zu Abwingen, dass man Rauchgase kühlen muss, dass man den Wasserschaden gering halten muss, und dass nur mit Sprühstrahl gelöscht werden soll. Aber was wir nicht lernen ist, das Feuer auch zielgerichtet zu löschen.
    Was müsste sich ändern:
    1. Es muss in der Ausbildung richtiges Feuer gemacht werden.
    2. Jeder muss in seiner Ausbildung löschen müssen.
    3. Es muss möglich sein, mal 20 Europaletten anzuzünden, und diese dann löschen zu lassen.
    4. Der junge Kamerad muss sehen, wie sich Brandgut verhält, wenn ich mit Sprühstrahl vs. Vollstrahl die Brandbekämpfung aufnehme.
    5.

    Wenn dann diese Basics sitzen, dann kann (muss!!) ich anfangen, die weiter oben angeführten Skills zu vermitteln. Ein Koch wird in seiner Ausbildung auch nicht gleich mit einem Sufflé beginnen, oder?

  4. Bin mir nicht so sicher, ob das Posting wirklich so unpopulär ist.

    Die Erfahrung, dass zu viel auf wenig Wasser geachtet wird habe ich auch schon machen müssen. Hier musste dem ein oder anderem Feuerwehrmann schon mal gesagt werden, dass ein Metall-Container mit glimmendem Papier am einfachsten geflutet werden kann.

    Andererseits ist das sofortige löschen des Feuers beim Innenangriff auch nicht immer die beste Wahl. Feuer bedeutet auch immer noch etwas Licht und spätestens mit eintretendem Löscheffekt werden die Sichtbedingungen sich noch einmal deutlich verschlechtern.
    Daher ist es durchaus möglich – solange noch etwas zu sehen ist – mit dem Fenster eine Abluftöffnung zu schaffen um danach mit dem Löschen zu beginnen.

    Letztendlich führt nur stetige und realistische Ausbildung zu erfolgreichen Einsätzen.
    Insbesondere hilft es leider gar nicht, wenn der Einsatzleiter einem regelmäßig über Funk oder direkt mitteilt, dass man wenig Wasser verwenden soll.

    Schön ist dann noch, wenn man die Truppführer so weit bekommt, dass sie auch bereit sind andere Wege ein zu schlagen.
    Ein Abstellraum mit brennendem gebundenem Papier und Tür nach aussen zum Balkon muss nicht vom Wohnzimmer betreten werden. Ein mobiler Rauchverschluss, Überdruckbelüftung, ein Trupp in Bereitstellung im Wohnzimmer und ein Trupp der sich von aussen Zutritt verschafft und das Feuer löscht ist wesentlich effektiver. Ist zwar für den ersten Angriffstrupp nicht so Actionreich nur vor der Tür zu warten, dafür dringt “etwas” weniger Rauch ins Wohnzimmer.

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