FEUERWEHRLEBEN

„Ich bin dagegen … egal … worum es geht“*

(Von Stefan Cimander) Vor einigen Tagen hatte ich meinem Ärger über die unzutreffende Medienberichterstattung im Zusammenhang mit der trinationalen Katastrophenschutzübung Terrex 2012, die vom 22.05. bis 24.05.2012 in Konstanz stattfand, in einem Blogbeitrag zum Ausdruck gebracht, da muss ich schon wieder den Zeigefinger heben bzw. meinem Ärger freien Lauf lassen.

Aufruf zum Protest

Grund für meine Verärgerung war ein Aufruf des „SDS Konstanz“ und „Der Linken“ gegen die Katastrophenschutzübung zu demonstrieren. Die Begründung für diesen Aufruf sehen die Veranstalter allein durch die Teilnahme des Militärs legitimiert. Nach einem Kurzbericht der Lokalzeitung „Südkurier“, sieht der SDS in der Übung eine „promilitaristische Jubelveranstaltung“, die, so einer der Organisatoren im Südkurier, nur dazu diene, das „Ansehen [des Militärs] in der Bevölkerung zu steigern“. Eingebettet war die Demonstration dabei in die antimilitaristischen Aktionstage, die, von der Öffentlichkeit in Konstanz bis jetzt weitgehend unbemerkt, von der “Emazipatorischen Gruppe Konstanz” organisiert, seit dem 20. Mai stattfindet.

Protest richtete sich gegen Bundeswehr

In dem dazu veröffentlichten Aufruf heißt es: „Für die Bundeswehr stellt die Übung ein perfekte Plattform dar, um sich als bürgernahe, zivile und friedenssichernde Armee zu präsentieren. So wird mensch [sic!] die Übung live vom Stadtgarten aus begutachten können, auf der Hafenstraße wird militärisches Gerät ausgestellt und am Ende wird die Bevölkerung mit einem Platzkonzert im Stadtgarten beglückt. Die Bundeswehr sichert jedoch mitnichten den Frieden, sondern führt einen Krieg in Afghanistan, kontrolliert Frachter im Mittelmeer u.A. nach „illegalen“ Flüchtlingen und jagt Piraten am Horn von Afrika, neuerdings auch mit Waffengewalt auf somalischem Festland.“

Wann die Bundeswehr helfen darf

Schauen wir uns diesen Absatz etwas genauer an. Der Vorwurf, die Übung sei eine Plattform zur Darstellung der Bundeswehr entbehrt beim Blick in das Grundgesetz – und auch der Geschichte der Katastrophen in Deutschland – jeder Grundlage. Die Bundeswehr muss im Rahmen des sogenannten Subsidiaritätsprinzips im Rahmen der Amtshilfe tätig werden, wenn die zivilen Kräfte zur Bewältigung einer Schadenslage nicht ausreichen (§ 35 GG). Bei Katastrophen ist dies regelmäßig der Fall, sodass es folgerichtig ist, die Bundeswehr in Katastrophenschutzübungen einzubeziehen. Die Bundeswehr ihrerseits hat, um diesen Mitteleinsatz koordinieren zu können, spezielle Dienstposten (meist von Reservisten besetzt) für die zivil-militärische Zusammenarbeit (ZMZ) in den Landkreisen geschaffen. Blickt man nun in der Geschichte zurück, ist festzustellen, dass das Militär bei jeder großen Katastrophe mit Soldaten helfen musste, egal ob das die Sturmflut in Hamburg (1962) war, die Waldbrandkatastrophe in der Lüneburger Heide (1975) oder die Abwehr des Elb-Hochwassers (2002). Selbst Konstanz hat schon (mindestens) zweimal Hilfe durch die Bundeswehr erhalten: Einmal beim Hochwasser 1999 und das zweite Mal von 2008 bis 2009, als der Sanitätsdienst ein mobiles Operationszentrum als Ersatz für den bei einem Brand zerstörten OP-Trakt des Konstanzer Krankenhauses bereitstellte. Zusammengefasst soll die ZMZ die „Fähigkeitslücken des zivilen Katastrophenschutzes sowie dessen Durchhaltefähigkeit schließen und sicherstellen“ (zit. n. „Strategie für einen modernen Bevölkerungsschutz“, S.8).

Keine Waffen bei ZMZ-Einsatz

Bei Katastropheneinsätzen setzt die Bundeswehr mitnichten Kriegsmaterial ein. Es werden also keine Waffen getragen, noch sind bewaffnete (und geschützte) Fahrzeuge zu sehen, wie obiger Text suggeriert. Welche Geräte – besser ist es hier von Fähigkeiten zu sprechen – die Bundeswehr einsetzen darf, legen Vorschriften fest. Liegt kein Verteidigungsfall vor, ist der Einsatz von Waffen im Inland durch das Grundgesetz untersagt.

Rechtliche Grenzen bei Fähigkeitsanforderungen

Die anfordernde, zivile Behörde, im Fall der Terrex, das Landratsamt Konstanz, fordert demnach bei der Bundeswehr eine bestimmte Fähigkeit an, zum Beispiel Transportunterstützung oder ABC-Abwehr. Auf Grundlage der Situation entscheidet die Bundeswehr, welche konkreten Kräfte sie entsendet bzw. entsprechend der Rechtsvorschriften entsenden darf. Dazu stellt die anfordernde Stelle unter Beratung durch die BVK / KVK einen Antrag auf Unterstützung durch die Bundeswehr. Das Landeskommando leitet den Antrag an das zuständige Wehrbereichskommando weiter. Dass die zivile Seite am Ende ihre Fähigkeiten ist, lässt sich die Bundeswehr schriftlich durch den Landrat bestätigen. Das Formular beinhaltet eine Passage, die besagt, dass keine zivilen Kräfte zur Verfügung stehen.

Zivile Seite leitet den Einsatz

Auch ist die Übung (oder der Einsatz) in Deutschland mit dem Auftreten der Bundeswehr als Hilfsorganisation nicht sui generis militärisch. Die Zuständigkeit der Länder ist durch den Einsatz der Bundeswehr bei der Katastrophenhilfe nicht berührt. Die verantwortliche Gesamtleitung und Koordination eines Katastropheneinsatzes obliegt immer dem zivilen Einsatzleiter, auch wenn sich die angeforderte Truppe selbst führt.

Dagegen-Sein ohne Lösungen anzubieten

Zum zweiten Teil des Absatzes muss ich nichts sagen, denn hier werfen die Initiatoren einiges Durcheinander und zeigen damit nicht nur ihre politische und rechtliche Unkenntnis, sondern disqualifizieren sich gleichzeitig als unverbesserlichen Dagegen-Sein-Potentaten, die an lösungsorientierten Ansätzen keinerlei Interesse haben, würde dies doch ihre Legitimation für ihr Dagegen-Sein und ihre Protestaktionen entziehen. (Da die Aktivisten noch nicht einmal ein ordentliches Impressum auf die Reihe bekommen, und sich damit hinter Anonymität verstecken, büßen sie in meinen Augen erst Recht an Glaubwürdigkeit ein).

ZMZ ist kein Kampfeinsatz

Was hat denn, bitteschön, ein vom Bundestag beschlossener Bundeswehr-Einsatz mit der zivil-militärischen Zusammenarbeit bei Katastrophen zu tun? Gar nichts. ZMZ hat nichts mit Militarismus zu tun, sondern ist Teil der staatlichen Katastrophenabwehr. Nur weil unsere Soldaten im Ausland ihren Kopf hinhalten (ja, in Afghanistan herrscht Krieg), werden sie zu Hause beschimpft? Im Grunde sollten wir froh sein, dass es die Möglichkeit gibt, auf die Fähigkeiten (und vor allem die Manpower) der Bundeswehr in Katastrophenszenarien zurückzugreifen.

Dann helft doch selbst mit

Wenn die Aktivisten der Ansicht sind, die Bundeswehr dürfe bei Katastrophen im Rahmen ihrer rechtlichen (und materiellen) Möglichkeiten nicht helfen, dann schlage ich vor, dass eben diese Aktivisten in Zukunft entweder selbst uneingeschränkt für die Katastrophenhilfe zur Verfügung stehen, und damit die Manpower des Militärs ersetzen, oder ihren Geldbeutel öffnen, und den Ländern die Möglichkeit eröffnen, entsprechende Fähigkeiten vorzuhalten. Ich persönlich denke nicht, dass die Aktivisten weder das Eine noch das Andere tun werden, denn, ich wiederhole meine Argument, damit würde man sich der Legitimationsgrundlage des eigenen Protestes entziehen.

Mehr über über das Thema Zivil-Militärische-Zusammenarbeit und Katastrophenschutz findet sich in folgenden Fachartikeln von mir:

Dieser Fachartikel erklärt Aufgaben und Funktionsweise der ZMZ.

Dieser Fachartikel geht auf die historischen Unterschiede zwischen Katastrophen- und Zivilschutz ein und erklärt das aktuelle Bevölkerungsschutzkonzept.

Dieser Fachartikel stellt eine Sonderheit vor, die im Rahmen des Bevölkerungsschutzkonzeptes durch den Bund aufgestellt wurde.

Artikel über die trinationale Katastrophenschutzübung:

Terrex 12: Helfer arbeiten im Akkord

Terrex 12: Die geplante Katastrophe

Übung Terrex 12: Die Katastrophe nimmt ihren Lauf

Über Konstanz bricht die Katastrophe herein

Demo gegen die Terrex-Übung

Überschwemmung, Brand und Beben an einem Tag

Katastrophen-Szenario Terrex in Konstanz und Kreuzlingen

Katastrophenszenario „Terrex 2012“ auch in Konstanz

Pressemitteilung des LRA Konstanz

Bei diesem Artikel handelt es sich um eine leicht modifizierte und ergänzte Version eines gleichnamigen Artikels des Autors.

*Textzeile nach dem Lied „Rebell“ der deutschen Punkrockgruppe „Die Ärzte“.

Über den Autor

Stefan Cimander studierte Geschichte und Politik und arbeitete in der Online-Redaktion von Antenne Bayern, danach beim SWR, später als Technischer Redakteur in einem Softwarehaus und aktuell im Marketing. Er ist seit seinem 12. Lebensjahr bei der Feuerwehr aktiv. Von 2005 bis 2011 schrieb er für das Feuerwehr Weblog bzw. das Fwnetz.de.

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