FEUERWEHRLEBEN

Die Schutzwirkung von Feuerschutzhauben ist zu gering und keiner weiß es

flammschutzhaube-feuerschutzhaube-norm

Aus Sicht von Christian Pannier sind die aktuellen Anforderungen in der Norm für Feuerschutzhauben viel zu gering. Das Problem hierbei, viele Feuerwehren und Atemschutzträger wissen das überhaupt nicht.

Die Norm EN 13911 mit dem Titel “Feuerschutzhauben für die Feuerwehr” befindet sich seit einiger Zeit in der planmäßigen Überarbeitung. Der zweite Entwurf (prEN 13911:2014) wurde dieser Tage beim Deutschen Institut für Normung (DIN) veröffentlicht und kann von der interessierten Öffentlichkeit eingesehen und kommentiert werden.

Schutzniveau der Feuerschutzhaube zu gering

Das Problem hierbei: Hinsichtlich der Wärmedurchgänge beschreibt auch dieser neue Entwurf (wie schon die aktuell gültige Norm, EN 13911:2004) ein Schutzniveau welches deutlich, teilweise sogar dramatisch unter dem anderer, gleichzeitig getragener Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) wie Feuerwehrschutzanzug nach EN 469 bzw. HuPF 1/4 oder Feuerwehrschutzhandschuhe nach EN 659 liegt.

Hintergründe der verschiedenen Testverfahren

Bei den genannten PSA werden – in identischen Prüfverfahren, basierend auf den gleichen Prüfnormen) jeweils zwei Wärmedurchgänge gemessen, für direkten Flammkontakt und für Wärmestrahlung. Dabei werden die Zeiten ermittelt, nach der es auf der abgewandten Seite (im Kleidungsstück: zur zum Körper hin) zu Temperaturanstiegen von 12 bzw. 24°C kommt. Diese Werte werden als HTI (Heat Transfer Index) bzw. RHTI (Radiant Heat Transfer Index) bezeichnet. Zusätzlich wird jeweils auch die Gradzahl, also HTI12, HTI24, RHTI12 und RHTI24 angegeben. Ein Temperaturanstieg von 12°C auf der Haut wird als Schmerz wahrgenommen. Bei einem Temperaturanstieg von 24°C auf der Haut muss mit Verbrennungen zweiten Grades gerechnet werden. Wenn man jetzt also die Werte für 12 und 24° C Temperaturanstieg kennt, so weiß man:

a) nach welcher Zeit mit schweren Verletzungen zu rechnen ist (HTI24 / RHTI24)
b) wie viel Zeit einem Feuerwehrmann nach einem ersten Schmerzempfinden verbleibt, um sich durch Flucht / Rückzug der Gefahr schwerer Verbrennungen zu entziehen (HTI24-HTI12 bzw. RHTI24-RHTI12).

Bei direktem Flammkontakt (HTI) sind dies sowohl in der aktuellen EN 13911:2004 wie auch im neuesten Entwurf (prEN 13911:2014) 8 Sekunden (HTI24) bzw. 3 Sekunden (HTI24-HTI12). Das ist damit weniger als in der Leistungsstufe 1 der EN 469 und sehr viel weniger als in der Leistungsstufe 2 der EN 469. Zum Vergleich: Bei einlagiger Kleidung nach HuPF 2/3 liegt der HTI24-Wert bei 5 Sekunden.

Schutz vor Wärmestrahlung wie bei einlagigen Hosen

Richtig problematisch ist der Wärmedurchgang bei Wärmestrahlung (RHTI): Hier liegen die reinen Zahlenwerte mit 11 / 3 Sekunden auf dem Niveau einer Leistungsstufe 1 nach EN 469 (10 / 3 Sekunden), aber deutlich unter denen der Leistungsstufe 2 (18 / 4 Sekunden). Das richtig große Problem ist aber, dass sowohl in der aktuell gültigen Norm wie auch im Entwurf mit einer reduzierten Wärmestromdichte von nur 20 kW/m² gemessen wird, Feuerschutzkleidung nach EN 469 und Feuerwehrschutzhandschuhe nach EN 659 hingegen mit 40 kW/m². Das heißt, dass die zu erbringenden Werte unterhalb deren von Schutzanzug und -handschuhen liegen und das obwohl ohnehin nur mit der Hälfte der Wärmestromdichte geprüft wird. Faktisch liegen die Anforderungen an den RHTI mit 11 / 3 Sekunden bei 20 kW/m² exakt auf dem Niveau einlagiger Hosen nach HuPF 2.

Häufig ist das niedrige Schutzniveau der Feuerschutzhaube nicht bekannt

Feuerschutz- oder Flammschutzhauben sind heute bei allen Feuerwehren Standard

Im Klartext: Das, was niemand als Schutzanzug im Innenangriff tragen würde, trägt jeder von uns als Schutz von Hals und Gesicht. Im Regelfall nicht, weil man das als ausreichend erachtet, sondern weil der Umstand, dass das Schutzniveau von EN 13911 deutlich niedriger ist als das von EN 469 und EN 659, gar nicht bekannt ist. Es wird geglaubt, dass Schutzausrüstung, die zusammen getragen wird, vom gleichen Feuerwehrmann im gleichen Einsatz, auch das gleiche Schutzniveau bietet (Tenor der E-Mails und Nachrichten, die ich bisher dazu erhalten habe). Dem ist leider nicht so.
Jetzt hatte ich in meiner Naivität gedacht, ich bringe den Punkt im Rahmen der laufenden Normüberarbeitung zur Sprache, alle sehen das Problem und wir ändern das in der neuen Norm. Aktuell sieht es nicht so aus, als würde sich auch nur im deutschen Normausschuss eine Mehrheit hierfür finden. Diejenigen, die es wirklich betrifft, nämlich die Feuerwehren, sind zumindest im entsprechenden deutschen Normausschuss so gut wie nicht vertreten (was übrigens ein Problem der Feuerwehren selbst ist).

Was wäre die Lösung für das Problem?

Die Leistungswerte an die der EN 469 bzw. EN 659 anpassen. Man kann darüber diskutieren, ob EN 469 Leistungsstufe 2 Sinn macht oder es auch Leistungsstufe 1 tut, man kann auch darüber diskutieren, ob man den Überlappungsbereich, der ja eh von der Jacke überdeckt wird, einlagig mit entsprechend reduzierten Leistungsanforderungen belässt.

Ist es denn technisch möglich eine Feuerschutzhaube zu bauen, die bzgl. der Wärmedurchgänge ein vergleichbares Schutzniveau bietet wie Feuerwehrschutzanzug / -handschuhe?

Ja, das wird zwar im Endeffekt auf dreilagige Hauben hinauslaufen (evtl. auch zweilagige, bei EN 469 Leistungsstufe. 1-Werten oder entsprechend schwerer Qualität), aber technisch ist das problemlos machbar.

Würden solche Feuerschutzhauben dann teurer werden?

Garantiert. Das ist aber nicht das Problem des Benutzers, im Gegensatz zur Verbrennung.

Was kann jeder von uns machen?

In Deutschland ist prEN 13911:2014 derzeit zur Stellungnahme durch die Öffentlichkeit unter www.entwuerfe.din.de einsehbar und kann dort auch kommentiert werden (vorherige, kostenlose Registrierung erforderlich. Nach Registrierung einloggen, anschließend im Menü links auf “Aktuelle Norm-Entwürfe” klicken und unter Dokumentennummer “13911” eingeben. Im Titel auf “weiter” klicken und dann den Kasten “Norm-Entwurf lesen und kommentieren”. Die entsprechenden Passagen sind die Kapitel 6.1.3 und 6.1.4. Deadline: 09.03.2015, also so in grob sechs Wochen.

Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Änderungsvorschläge in die neue Norm übernommen werden?

Atemschutzträger entkleiden sich nach einem Durchgang in der Wärmegewöhnungsanlage

Um ehrlich zu sein: Ich halte es derzeit (Ende Januar 2015) für eher unwahrscheinlich. Grob gesagt gibt es im CEN – der europäischen Normungsorganisation – derzeit 33 Mitgliedsländer, die gewichtet abstimmen. Je größer / bedeutender ein Land, desto mehr Stimmen hat es in einer Entscheidung. Die großen Länder (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und die Türkei) haben jeder 29 Stimmen, andere Länder weniger, z.B. die Niederlande 13, Belgien 12, Österreich und die Schweiz jeweils 10, Luxembourg 4. Insgesamt gibt es 405 Stimmen. Ein Normentwurf gilt als angenommen, wenn mehr als 71% der Stimmen dafür sind, also 288. Um also den aktuellen Normentwurf zu verhindern bedarf es also mindestens 117 Gegenstimmen, das sind wenigstens fünf große Länder. ABER:

Wenn man jetzt nichts macht, dann wird sich rein gar nichts ändern. Nicht dieses Jahr, nicht in fünf Jahren, nicht in zehn Jahren.

Jeder Kommentar, der zu einem Normentwurf abgegeben wird muss (und wird) in den Normenausschüssen behandelt (zumindest in Deutschland. Sollte in anderen Ländern auch so sein) und kann zeigen, was die Öffentlichkeit darüber denkt. Kommentare, die von direkt Betroffenen (z.B. Nutzer) kommen, sind immer wertvoll. Wer also gerne mehr direkte Demokratie möchte: Bitte, hier ist sie. Und je mehr nationale Normenausschüsse sich mit Kommentaren befassen müssen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich insgesamt was bewegt. Es ist daher durchaus wichtig und hilfreich das Thema auch im europäischen Ausland zu streuen, weil prEN 13911:2014 derzeit in den nationalen Normenausschüssen in ganz Europa abgestimmt wird.

Was können die Feuerwehren machen wenn sich die Norm nicht ändert?

Die Feuerwehren besinnen sich auch bei Feuerschutzhauben auf die alte Weisheit “wer bezahlt bestimmt” und fordern schlichtweg die Werte aus der EN 469 und für den Wärmedurchgang Strahlung die Prüfung bei 40 kW/m², geprüft von einem akkreditierten Prüfinstitut. Ein Lieferant, der das nicht nachweisen kann ist halt raus und spätestens beim dritten Mal wird sich ein Lieferant überlegen, ob er weiterhin dabei sein möchte oder nicht. Keine Angst, es ist völlig legal strengere Werte zu fordern als im Normenwerk gefordert und wird in der tagtäglichen Beschaffungspraxis – auch bei Feuerwehren – so praktiziert.

Und was hast du davon?

Als Privatmensch? Nix. Außer einem Haufen Arbeit bisher.

Mein Arbeitgeber? 

So gut wie nix. Selbst wenn alle Feuerwehren in Europa zukünftig dreilagige Feuerschutzhauben kaufen würde sich das bei uns vermutlich erst irgendwo an der zweiten Stelle hinterm Komma bemerkbar machen. Wenn das hier eine Möglichkeit wäre den Verkauf von Produkten meines Arbeitgebers zu pushen, dann würde ich das ganz offiziell als Mitarbeiter meines Arbeitgebers machen, anschließend marketingtechnisch voll ausschlachten (“xxx kümmert sich um die Verbesserung der Sicherheit europäischer Feuerwehrleute”) und meinem Chef bei den nächsten Gehaltsverhandlungen auf den Tisch knallen. Mache ich aber nicht.
Ich mache das, weil ich ein echtes Problem sehe, von dem vermutlich 99% aller Betroffenen nicht einmal wissen, dass es überhaupt existiert und das restliche 1% es nicht interessiert und ich denke, dass man das ändern sollte.

Und sonst?

Da du bis hierher gelesen hast kennst du jetzt das Problem und meine Meinung dazu. Die kannst du gut finden, musst du aber nicht. Wenn du sie gut findest darfst du diesen Text gerne mit jedermann teilen, mailen, per Hand niederschreiben und per Post, Brieftaube etc. versenden. Du kannst ihn übersetzen und an Freunde / Kameraden im (europäischen) Ausland schicken, denn die betrifft das genauso, auch wenn sie es vermutlich ebenfalls noch nicht wissen. Du kannst meinen Namen als Quelle dazuschreiben, musst du aber nicht. Du kannst auch Deinen Namen drunterschreiben, habe ich kein Problem mit.

Es geht nicht um mich, sondern um ein Problem für alle Feuerwehren in Europa. Wichtig ist nur, dass du was machst.

Christian Pannier

 

Die mobile Version verlassen