FEUERWEHRLEBEN

Gedanken eines Feuerwehrmannes zur Kritik am Brand von Saarbrücken

Gestern haben wir über den Brand in Saarbrücken berichtet bei dem vier Kinder ums Leben Kamen. Laut sr-online.de hat die Mutter nun schwere Kritik gegen die Feuerwehr erhoben und über einen Anwalt Anzeige erstattet. Der Vorwurf: Die Einsatzkräfte hätte sich auf die Brandbekämpfung, nicht aber auf die Rettung der Kinder konzentriert. Hier geht es zu dem Videobeitrag.

Jan Südmersen hat nun unter dem Titel “Menschlichkeit” den folgenden offenen Brief an die Eltern der verstorbenen Kinder sowie deren Verwandten, Anwälte und Freunde veröffentlicht:

Menschlichkeit

Es tut mir leid. Es tut mir wirklich ausgesprochen leid. Wie ich diese Zeilen schreibe, muss ich mit den Tränen kämpfen bei dem Gedanken, ich würde meine Kinder durch einen  Unfall verlieren. Ich weiß nicht, ob ich aus dem schwarzen Loch mit intakter Seele und Geist wieder herauskommen würde. Aus tiefstem Herzen wünsche ich Ihnen viele gute Freunde, eine festen Glauben und eine tiefe Liebe zueinander und ihrem jüngsten Kind gegenüber, um diese Situation zu überleben und weiterleben zu können.

Ich muss aber auch an die Feuerwehrleute denken, die in dieser Nacht vermutlich einer der schlimmsten Einsätze ihrer Dienstzeit erlebt haben. Die Sie über eine Leiter gerettet haben. Die, schwer bepackt und mit wilder Entschlossenheit das Treppenhaus hochgerannt sind und versucht haben, die Flammen zurück zu drängen, um in die brennende Wohnung zu gelangen und damit vielleicht doch noch an Ihre Kinder zu kommen. An die Sanitäter und Notärzte, die um das Leben Ihrer Kinder gekämpft haben, als wären es ihre eigenen. An die Familienväter unter den Einsatzkräften, die die traurige Pflicht hatten, die Körper aus den verbrannten Räumen zu holen und dem Bestatter zu übergeben.  An diejenigen, die morgens zu ihrer Familie zurückgekehrt sind und sich nicht getraut haben, zu erzählen, was sie gesehen haben. Und die jetzt, aufgrund Ihrer Vorwürfe auch noch mit dem Makel behaftet sind, nicht alles getan zu haben, was möglich ist. Es wird Feuerwehrleute geben, die daran innerlich zerbrechen.

Feuerwehrleute sind keine Heiligen oder Supermänner sondern Menschen. Auch bei ihnen gibt es Fehler, gibt es Aussetzer und Nachlässigkeiten. Aber Sie können sich absolut sicher sein, dass sie alles was möglich war und auch mehr als das in dieser Nacht geleistet haben. Warum? Weil, egal aus welchem Beweggrund man sich in der Feuerwehr engagiert, wie lange man dabei ist oder ob man dafür bezahlt wird oder nicht: Wir alle bereiten uns ein Leben lang darauf vor, Menschen aus einem Feuer zu retten, ihnen den qualvollen Tod durch Verbrennen oder Ersticken zu ersparen. Wir leben damit, dass es solche Situationen geben wird und dass dann die Betroffenen auf unsere Hilfe angewiesen sind, dass wir ihre letzte Chance sind. Wir müssen dafür bereit sein, jederzeit und überall. Dies ist unsere Pflicht und Selbstverständnis, dies unsere edelste und ehrenhafteste Aufgabe. Diese Tradition trägt uns durch Hohn und Spott, ungerechtfertigte Kritik und Arroganz, mit der die Feuerwehr oft bedacht wird. Es motiviert viele von uns, fast alles zu ertragen, was wir erleben müssen. Ohne dies wären wir nichts als seelenlose Feuerlöschroboter…

Daher bitte ich Sie inständig, bei allem Mitgefühl für Ihren Schmerz: Sprechen Sie mit den Menschen, die in dieser Nacht ihr Leben und ihre Gesundheit für Ihr Leben eingesetzt haben. Menschen, die Sie nicht kannten und die sich trotzdem in die Waagschale geworfen haben. Menschen, mit denen Sie jetzt ein dunkles Kapitel ihres Lebens teilen. Menschen, die auch Zuspruch brauchen, den sie sich vielleicht sogar gegenseitig geben können.

Seien sie menschlich, wir sind es auch!!

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