Dorffeuerwehr – Klein aber oho!

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Bildquelle: Feuerwehr Günding

Irgendwie haben viele Menschen die Vorstellung: Groß = Besser. Dies überträgt sich auch in die Feuerwehrwelt. Großes Fahrzeug ist besser als kleines Fahrzeug, große Feuerwehr ist besser als kleine Feuerwehr. Besonders bei Teilnehmern an Feuerwehrschulen merkt man schnell, dass hier der Fuhrpark eine immense Rolle spielt. Da werden die Gruppenführer der TSF oder LF 10/6 Wehren schnell belächelt (wohlgemerkt von den Teilnehmern nicht von den Ausbildern).

Interessanterweise zeigt aber die freie Wirtschaft, dass diese Annahme absolut falsch ist. Kleine, innovative Firmen zeigen oftmals den Großen wie man erfolgreich ist. Auch Spezialeinheiten der Polizei oder Bundeswehr bestehen aus einer handvoll Leuten, die aber Einsätze bewältigen was eine ganze Kompanie nicht schaffen würde.

Daher ist vielen Feuerwehrlern von großen Wehren zu empfehlen, erstmal zu gucken was die kleine Feuerwehr so alles drauf haben und erst dann ein Urteil zu fällen. Dann merkt man nämlich schnell das eine Dorffeuerwehr manch große Berufs- oder Freiwillige Feuerwehr ganz schön alt ausschauen lassen.

Bildquelle: Feuerwehr Günding

Bildquelle: Feuerwehr Günding

Schaut man sich beispielsweise die Freiwillige Feuerwehr Günding an, so klingt das auf den ersten Blick nicht spektakulär. 1.200 Einwohner, zwei Großfahrzeuge. Vielen Feuerwehrlern von großen Wehren entlockt dies nur ein müdes Lächeln. Aber schaut man sich die Gündinger genauer an sieht man, dass es sich hier um eine sehr gut ausgebildetete Wehr handelt. Vor allem im Bereich der technischen Hilfeleistung sind sie durch die Nähe zur Autobahn A8 (Stuttgart – München) sehr fit. So wird neben den Standardübungen vorallem auch Wert auf eine starke Weiterbildung im Bereich THL gelegt. Zum einen holt man sich fremdes Know How beispielsweise über die Sgard Safety Tour, zum anderen hat die FF Günding bei der Deutsche Meisterschaften VU 2009 in Osnabrück erfolgreich teilgenommen. In der Einzelwertung Innerer Retter (= Medic = Verantwortlich für die Patientenbetreuung) den dritten Platz belegt.

Sepp Grain von der Feuerwehr Günding hat mir netterweise ein paar Fragen zur Vorbereitung und zum Wettkampf selbst beantwortet.

Wie seid Ihr auf die Idee gekommen beim Wettkampf mitzumachen?

Wir waren bei den VU2006 und VU2008 als Zuschauer in Osnabrück dabei und damals schon sehr angetan von der Veranstaltung. Durch die Safety Tour entstand 2007 der Kontakt zu Frank Gerhards, Captain vom TRT Mönchengladbach und 2008 war Daniel Querner, Medic im selben Team, als Ausbilder bei uns in Günding. Auf Anregung der beiden haben wir uns dann dazu entschlossen es auch mal zu versuchen.

Wie oft hat das Gündiger Team davor trainiert?

Trainiert haben wir etwa 6-7 mal, leider war nicht mehr drin. Die Veranstaltung wurde leider relativ kurzfristig geplant, weil in diesem Jahr auch die Weltmeisterschaften in Frankfurt stattfinden und die VU2009 gleichzeitig als deutsche Meisterschaft und Quali für die WM diente

Bildquelle: Feuerwehr Günding

Bildquelle: Feuerwehr Günding

Wie groß war Eure Trainingsgruppe, wie groß die Gruppe die tatsächlich beim Wettkampf im Einsatz war?

Die Trainingsgruppe bestand aus 8 Mann, 7 Teammitglieder und unser „Coach“ der uns die Szenarien gebaut hat. Das Team in Osnabrück bestand aus 6 Mann, dem Captain, der Medic und 4 Technics. Zusätzlich hatten wir einen Ersatzmann dabei.

Wie habt ihr das Training inhaltlich gestaltet?

Durch die Besuche 2006 und 2008 hatten wir viel Foto und Videomaterial. Auf diesem aufbauend und mit sehr viel Unterstützung aus Mönchengladbach haben wir versucht uns darauf vorzubereiten. Geübt wurden die beiden für Osnabrück relevanten Einsatzszenarien, Rapid und Standart, jeweils ca. 7-8 Szenarien.

Wieviele Einsätzszenarien musstet ihr während dem Wettkampf abarbeiten?

Auf nationaler Ebene werden ein Rapid Szenario und ein Standart abgearbeitet.
Das Rapid beschreibt eine relativ einfache technische Rettung mit begrenztem Gerätesatz und einer schnellen Verschlimmerung des Patientenzustandes. Zeitlimit ist hierbei 10 min.

Der Standart Pit ist eine komplexere Unfallsituation, die es in 20min. zu bewältigen gilt. Hierbei steht in etwa der Gerätesatz eines gut ausgerüsteten HLFs zur Verfügung.

Wie geht es mit diesem Sieg weiter? (macht ihr nächstes Jahr wieder mit?)

Wir werden auf alle Fälle wieder dabei sein, wenn es uns möglich ist. Durch die Vorbereitung und den Wettkampf selber haben sehr viel neues gelernt, was jetzt den anderen Kameraden der Feuerwehr weitergegeben werden soll. Das ist auch der eigentliche Sinn der Veranstaltung, nämlich das gemeinsame lernen neuer Techniken und Taktiken im Bereich der Unfallrettung, weniger der Wettkampf zwischen den Teams.

Hilft Euch so ein Wettkampf auch bei der Vorbereitung auf Einsätze (im Gegensatz zum bayerischen THL Abzeichen?).

Sagen wir es mal so, beim Leistungsabzeichen THL lerne ich wie ich die Rettungsgeräte öffne und schließe und korrekte Befehle gebe. Bei den Vergleichswettkämpfen lerne ich den Umfallopfern kompetente Hilfe zu leisten und die vorhandene Technik mit größtmöglicher effizientes einzusetzen.

Vielen Dank Sepp!

Seit Ihr auch von einer kleinen Feuerwehr und wurde daher schonmal müde belächelt? Ich freu mich über Eure Kommentare.

4 Kommentare zu Dorffeuerwehr – Klein aber oho!

  1. Es wird hier hervorgehoben, daß auch kleine Feuerwehren gut ausgebildet sind. Ist ja toll, aber das sollte meiner Meinung nach so selbsverständlich sein, daß es nicht explizit erwähnt werden muß, denn dem Bürger ist es egal, wo er im PKW eingeklemmt wird. Ob auf der A9 Höhe Garching, wo eine hochqualifiziere FFW und evtl. eine BF anrückt, oder im tiefsten bayerischen Hinterland. Der Hilfeleistungsstanddard muß gleich sein.
    Dass das aber beim besten Willen nicht so ist, zeigt mir ein Blick in so manchen Übungsplan kleinerer Feuerwehren. da werden 12 Monatsübungen abgehalten, von denen nur zwei wirkliche Einsatzübungen sind. Wie wollen die die laut FwDV geforderten Übungsstunden erfüllen???? Never, Niemals. Da bekomme ich Angst, wenn ich daran denke, wenn so eine FW unter PA zum Kellerbrand vorgeht.
    Wir haben in unsere FF (Großstadt) etliche neue Mitglieder anderer “Landfeuerwehren” aufgenommen. Und die haben ALLE mit den Ohren geschlackert, nachdem sie einen Übungsablauf bei uns zum ersten Mal mitansehen durften. Es gibt Leistungsunterschiede, und zwar ganz erheblich.
    Und das allerschlimmste scheint die Atemschutzausbildung zu sein. Hier gibt es Leute, die nicht einmal wissen, ob sie Normal-od. Überdruckgeräte verwendet haben, denen nicht klar ist, daß man im Brandraum eher nicht aufrecht stehen sollte denen nicht klar ist, daß man den Schlauch unter Nullsicht besser nicht losläßt.
    Mein Fazit (ganz persönlich): Ja es gibt sie, die kleinen, gutausgebildeten Feuerwehren, die innovativ sind und wissen, was ihre Technik kann und was taktisches Vorgehen ist. ABER: Ich habe sie noch nicht oft gesehen. Leider.

  2. Hallo Ann-Kathrin,

    danke für Dein Feedback. Mir war in diesem Artikel wichtig zu zeigen, dass es eben nicht auf die Größe drauf ankommt. Ich kenn auch viele größere Feuerwehr die einen überwältigenden Fuhrpark haben, aber einen simplen Wohnungsbrand nicht effektiv abarbeiten können.

    Daher mein Ansatz erstmal sich ein Bild von der Feuerwehr machen, und dann Urteilen.

    Zudem brauchen Innovationen bei großen Feuerwehren in der Regel länger. So hat zum Beispiel eine Berufsfeuerwehr in Bayern erst vor wenigen Jahren Hohlstrahlrohre und die Ausbildung eingeführt. Da gab es auf dem Land schon viele Wehren, die das schon lange Erfolgreich im Einsatz hatten.

    Schöne Grüße

    Florian

  3. Das mit den Hohlstrahlrohren ist richtig, und auch vieles andere dauert bei einer großen FW länger. ABer: Wenn so etwas eigeführt wird, dann immer mit Backgroundinfos und Lehrunterlagen.
    Und immer ganz vorne dabei bei den Innovationen zu sein ist auch nicht von Vorteil (Octopus, Falcon, etc)
    Wenn bei der von Dir beschriebenen BF etwas eingeführt wird, dann hat das Hand und Fuß, da haben sich dann viele (teilw. auch kompetente) Leute den Kopf zerbrochen. Und das merkt man. Es ist meist sehr gut durchdacht.
    Beispiel: Die FW München schafft 58 neue HLFs an, und zwar ohne CAFS. Warum? Weil es überflüssig, teuer, schwer und störanfällig ist. Viele kleine FWs, sind unglaublich stolz auf ihr CAFS, haben aber keine fähigen Maschinisten, die das auch adäquat bedienen können. Oder ELs, die die Grenzen und Schwächen des CAFS kennen.
    Die Innovation muß erst taktisch entstehen, dann kann ich technisch nachziehen. Und jetzt bin ich mal böse: Aufm Land ist es andersrum. Erst kaufen, und dann schauen, was man damit machen kann (oder nicht).
    Es werden bei den ländlichen FWs Steuergelöder verschwendet, daß geht auf keine Kuhhaut.

  4. Naja, du hast offenbar keine Ahnung, wie es in Wehren auf dem Land abgeht… Auch dort wächst das Geld nicht auf den Bäumen und man muss sich Gedanken machen, was sinnvoll ist und beschafft werden kann.
    Es gibt auch durchaus BFen oder große HA Wachen, die ihr Geld zum Fenster raus werfen… OB LF mit Cobra, “Janus-Fahrzeuge”, Hovercrafts, Hägglunds etc. Das haben alles keine kleinen Wehren beschafft…
    Und ich bin ehrlich, ich bin lieber in einer kleinen Wehr, die ihr Geld zum “Fenster raus wirft” und habe komplette PSA, als in der schon erwähnten BF, bei der alles genau durchdacht ist und die FA ohne Überhosen in den IA müssen…

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